Hardly Healed ist Hardy Hepps „amerikanisches Album“. Es entstand unter den Eindrücken, die Hepps US-Reise im Jahr 1972 hinterlassen hatte. Dies war ein Trip auf den Spuren von Henry Miller, aber auch von Hardys musikalischen Helden, denen der Schweizer Sänger während sechs Monaten „on the road“ zum Teil persönlich begegnete. Hepp knüpfte Kontakte und pflegte den kulturellen Austausch. Dank einer Bekanntschaft mit dem Produzenten Ted Templemann sang er im Chor zum Doobie-Brothers-Hit „Listen To The Music“, er traf den grossen Van Morrison backstage und im Studio in San Francisco und wurde im Probelokal von Captain Beefheart mit einem Privatkonzert überrascht. Beefhart, alias Don Van Vliet, nahm Hepps Anfrage nach einem Text für den Titelsong seines nächsten Albums ernst, und schrieb „Hardly Healed“ einige Wochen später in Hollywood von Hand in dessen Agenda. In New York wohnte der Schweizer für kurze Zeit im Loft der Free-Jazz-Legende Ornette Coleman. Von dort zog er weiter ins berühmte Sun Ra Haus am Broadway Brooklyn, wo er als einziger Weisser mit zwanzig schwarzen Musikern zusammenlebte.
Diese Reise war nur möglich, weil Hardy nach seinem Ausstieg bei der Band Krokodil dank einer Verbindung zum deutschen Produzenten Siggi Loch einen Künstlervertrag mit dem europäischen Ableger des US-Major-Labels Warner Brothers erhalten hatte. Loch war zu dieser Zeit noch vertraglich an die Firma Liberty gebunden und produzierte Hepps erste Warner-LP „Hepp Hahn & Huhn“ nicht selber. Die Aufnahmen zu „Hardly Healed“ wollte er aber persönlich betreuen, was aus rechtlichen Gründen nicht vor dem 1. Januar 1973 möglich war. Die so entstandene Zwangspause nutzte Hardy Hepp für einen Studienaufenthalt in den USA. Von dort rapportierte er seine Erlebnisse und Erkenntnisse regelmässig nach Hamburg. Das bescheidene, von Warner Brothers gesponserte Handgeld betrug 10 Dollar pro Tag.
Dafür wurde bei den Aufnahmen zu „Hardly Healed“ mit der grossen Kelle angerichtet. Als Arrangeur hatte Loch den Basler Jazzer George Gruntz engagiert, der damals das Berliner Jazz Festival leitete und über ein weites Beziehungsnetz verfügte. So trudelte bei den Sessions in den New Yorker Atlantic Studios am 2. und 3. Januar eine eigentliche Supergruppe ein, die in dieser Zusammensetzung vorher und nachher nie zu hören war. Den Bass spielte Miles-Davis-Sideman Ron Carter, den wuchtigen Drumbeat lieferte Aretha Franklins Bandleader Bernard Purdie, die Gitarrenlicks gehen auf das Konto von John-Lennon-Begleiter David Spinozza. Mit dem Percussionisten und Roberta-Flack-Bandleader Ralph MacDonald und dem E-Violinisten John Blair wirkten zudem zwei aufgehende Sterne der New Yorker Musikszene bei den „Hardly Healed“ Sessions mit. Verstärkt wurde das Ganze mit den Jazz Bläsern Joe Farrell, Seldon Powell und Eddie Daniels. Das E-Piano steuerte Gruntz bei. Hepp selber spielte akustische 12-string Gitarre und Flügel und übernahm den „Pilotgesang“, der später in Deutschland definitiv überarbeitet wurde. Für heutige Verhältnisse gingen die Aufnahmen schnell über die Bühne. Vier dreistündige Sessions mussten reichen, und so sind einige der Songs auf „Hardly Healed“ sogenannte First Takes.
Künstlerisch wäre also alles bereit gewesen für den Höhenflug von „Hardly Healed“. Doch das Album scheiterte am Geschäftlichen. Stein des Anstosses war unter anderem der Song „Tatanka Yotanka“, die Vertonung einer Rede des Indianerhäuptlings Sitting Bull – und ein Ausdruck von Hepps gespaltenen Eindrücken seiner US-Reise. Der Sänger beharrte darauf, das Album mit „Tatanka Yotanka“ zu eröffnen. Produzent Loch und US-Plattenmogul Neshui Ertegun mochten sich nicht mit diesen amerikakritischen Tönen abfinden. Schliesslich platzte der Deal, weil Hepp seine künstlerische Freiheit höher gewichtete als einen in Aussicht gestellten Vorschuss in sechstelliger Höhe gegen teilweise Aufgabe seiner Selbstbestimmung. Die meisten der bereits gepressten Exemplare von „Hardly Healed“ wurden eingestampft. Hepp war nun frei und ungebunden – er hatte es sich mit seinem Eigensinn aber auch gründlich mit den Granden des Musikbusiness verscherzt. So begann er, sich umso intensiver der Malerei zu widmen. Musikalisch suchte Hardy auch später immer wieder neue Herausforderungen, vom Folk Rock Sänger bis zum Chorleiter. Daneben schrieb er Film- und Theatermusik für Xavier Koller, Urs Widmer und Thomas Hürlimann.
Dass „Hardly Healed“ 41 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung endlich auf CD greifbar ist, war erst nach einem langen kostenintensiven Kampf um die Originalbänder möglich. Bei diesem konnte Hardy Hepp auf die Hilfe von einigen engagierten Freunden zählen. Nachdem sie endlich aus dem Warner-Archiv losgeeist waren, wurden die originalen Mehrspur-Bänder neu abgemischt und gemastert. Es sollte noch einmal Jahre dauern, bis auch die Verlagsrechte an den Autor zurückgingen. „Hardly Healed“ ist ein Meilenstein – nicht nur in Hardy Hepps Diskografie. Jetzt wird erst wirklich hörbar, welch magische Momente diese Aufnahmen vom Januar 1973 eingefangen haben.
Samuel Mumenthaler im Mai 2014
Release: 16.05.14
Katalog-Nr: HH 01-2014
EAN: 7619954444346